Einsatzlage „Bernd“ 14.07. – 21.07.21
Ein Kamerad unserer Einheit gibt einen kleinen Rückblick in das Erlebte im Sommer 2021 – ein Jahr das wir neben der Corona Pandemie nicht so schnell vergessen werden…
- Mittwoch, 14.07.21
Es regnet! Aus Kübeln! Über Stunden! Bäche fangen an sich zu füllen, auf den ersten Straßen stehen tiefe Pfützen. Jeder von uns rechnet mit einer zeitnahen Alarmierung. Gegen 18 Uhr heulen die Sirenen und die Meldeempfänger piepsen. Die LG Friesheim wird zum Gerätehaus bestellt um dort auf weitere Anweisungen zu warten.
In der Einsatzzentrale häufen sich die Anrufe der Bürger. Wir werden gegen 19 Uhr zu unserem ersten Einsatz – ein komplett gefluteter Bauernhof gerufen. Nach ca. 90 Minuten müssen wir dort abbrechen. Die Wassermassen, welche von allen Seiten vom Feld auf den Hof laufen, sind mit unseren Pumpen nicht zu bezwingen.
Die Einsätze häufen sich nun. In Friesheim laufen die Keller voll. Wir fahren die einzelnen Einsätze ab, pumpen die Keller leer. Aus allen Richtungen kommen die Menschen und wollen uns zu sich holen. Wir sind aber gezwungen, die Einsätze nach Priorisierung der Einsatzleitstelle abzuarbeiten.
Gegen 22 Uhr werden wir nach Liblar gerufen. Dort ist ein sehr großer Mehrfamilienkomplex komplett vollgelaufen. Wir unterstützen eine weitere Löschgruppe. Dieser Pumpeinsatz dauert bis morgens 7 Uhr. In der Nacht hat der Regen aufgehört. Für uns bis hierhin ein normaler „Hochwassereinsatz“. Wir freuen uns auf einen heißen Kaffee auf der Wache und planen dann, nach Hause zu fahren. - Donnerstag, 15.07.21
Über den Fahrzeugfunk bekommen wir mit, dass sich in den Orten Blessem und Bliesheim die Situation verschärft und immer mehr Einheiten dorthin geschickt werden. Nachdem wir unseren Kaffee bekommen haben und unser Fahrzeug auf der Wache wieder aufgerüstet haben, heulen die Piepser wieder. Wir werden zum Krankenhaus Erftstadt alarmiert, wo die Brandmeldeanlage ausgelöst hat. Glücklicherweise stellt sich dies als Fehleinsatz heraus.
Mit dem Tageslicht kommt allmählich das Ausmaß zum Vorschein. Wasser hat die ersten Straßen überflutet, die Erft und der Rotbach sind stark angestiegen und es sind nicht mehr alle Strecken befahrbar. Wir werden nach Bliesheim geschickt.
In Bliesheim angekommen, zeigt sich uns ein surreales Bild! Bei strahlendem Sonnenschein sollen wir Kameraden aus Norddeutschland dabei unterstützen, Menschen per Boot aus ihren Häusern zu retten. Der Wasserstand auf der Straßen hat ca. 1,80m erreicht und wir retten 12 Menschen aus den oberen Stockwerken über Leitern in ein wackeliges Ruderboot. Die Strömung ist so stark, dass lebenden Schafe an uns vorbei treiben und wir nur mit Seilen und aller Kraft das Boot unter Kontrolle halten können.
Wieder laufen die Piepser.
Kellerbrand in Köttingen! Wir rennen zu unserem Fahrzeug und fahren los. Es gibt nur noch eine Möglichkeit über die Erft zu kommen und wir sind gezwungen einen großen Umweg zu fahren. Dazu kommen hunderte LKW und Autos die den Weg versperren, da inzwischen die A1 und A61 gesperrt wurde. Als wir in Köttingen ankommen, hat sich der Einsatz erledigt. Der Bewohner hat mit anderen Kollegen den Brand löschen können. Also wieder zurück nach Bliesheim. Die Fahrt wird durch einen erneuten Alarm unterbrochen. Wenden und zurück nach Liblar. Auf der Bliesheim Str. finden wir ein Bild des Grauens! Durch das Krankenhauspersonal wurden alle Patienten (teilweise in ihren Betten liegend!) durch den Park bis zur höher liegenden Straße evakuiert. Und nun droht auch hier das Wasser hinzulaufen. Ein Mitarbeiter der Feuerwehr hält uns an und fordert uns auf bei der Evakuierung zu helfen. Die Patienten sollen in die höher gelegene Aula der Schule gebracht werden. Hier wurde durch die Feuerwehr Kerpen bereits alles vorbereitet.
Wir haben dann mit unserem Löschfahrzeug einige Patienten, die noch laufen konnten, zu der Aula gefahren. Andere Patienten wurden in Mulden eines Containerfahrzeugs evakuiert. Es musste alles genutzt werden was zur Verfügung stand – unfassbar!
Zwischendurch wurden wir immer wieder geschockt, weil Falschinformationen über die Steinbachtalsperre sowie das Rückhaltebecken Erftstadt-Niederberg die Runde machte. Wir hatten durch den Ausfall des Handynetzes seit Donnerstagmorgen keinerlei Kontakt mehr zu unseren Familien und wussten nicht, wie es in unseren eigenen Häusern aussieht und unsern Liebsten geht. Das hat die Nerven extrem belastet.
Bei einer erneuten Warnung, dass das Rückhaltebecken in Niederberg zu brechen drohe, haben wir beschlossen, die letzte befahrbare Straße zu nutzen und nun in unser Heimatdorf zu fahren um dort zu helfen und nachzusehen wie die Situation ist und um zu retten was noch zu retten ist.
Friesheim war in den tiefer gelegenen Straßen komplett geflutet. Überall waren Keller und teilweise Erdgeschosse komplett voll gelaufen. Die Kameraden, deren Häuser selber stark betroffen waren, wurden aus dem Einsatz entlassen um sich um ihr Hab und Gut zu kümmern. Es war inzwischen 20 Uhr und wie waren seit 26 Stunden ohne Pause im Einsatz. - Freitag 16.07. – Sonntag 18.07.21
Die nächsten Tage waren wir ausschließlich in Friesheim unterwegs. Wir bildeten zwei Schichten, so dass jeder zwischendurch mal ein paar Stunden schlafen konnte. Überall war Hilfe nötig – Pumpen, Pumpen, Pumpen….bis zur völligen Erschöpfung!
Der Piepser heult! Großbrand bei der Fa. Remondis. Durch den Ölgetränkten Sperrmüll hat sich eine Sortieranlage entzündet. Alle Atemschutzgeräteträger werden alarmiert und zum Einsatzort gebracht. Nach 4 Stunden ist der Einsatz beendet. - Montag 19.07. – Mittwoch, 21.07.
Morgen wurde sich nun mit allen Einheiten in Liblar auf dem Parkplatz des Baumarktes getroffen und die noch offenen Einsätze verteilt.
Man kann das Erlebte nicht wirklich in einen Text fassen. Jeder ging an sein Limit und viele sind heute noch dabei, das Erlebte zu verarbeiten.